Ohne Facebook und ohne Twitter – aber online!

Ich war genervt! Zum Jahreswechsel 2021/22 stellte ich fest, dass über irgendeine Tool, eine Verknüpfung oder warum auch immer mein Facebook-Account unaufhörlich irgendwelche Seiten mit einem „Like“ versah. Da ich eigentlich immer sehr umsichtig mit meinen Daten umgegangen bin und auch sehr bewusst ausgewählten Apps Verknüpfungen zu meinem Account gestattete, war ich recht verwundert und verbrachte ein Wochenende damit, den Account zunächst zu sichern und dann aufzuräumen. Einfach nur nervig. Schon länger hatte ich bemerkt, dass mir die Timeline keinen informativen Mehrwert brachte. Wonach der Algorithmus entschied, was mir angezeigt wird, und was nicht, war mir nicht klar. Interaktionen beschränkten sich auf ein Like hier und da. Zeitgleich waren Kommentare – egal ob unter Posts von Personen oder auf Newsseiten wegen der Corona-Diskussionen – nicht mehr zu ertragen. Beruflich hatte ich mich sowieso verändert, so dass auch nichtmal die Argumentation stach, dass ich einen Account brauchen würde, um irgendeine berufliche Page zu betreuen – selbst dies geht ja auch ohne persönlichen Account. Long Story short: Es war im Grunde der letzte Tropfen, der dafür gesorgt hat, meinen Facebook-Account zu löschen.

Ein Jahr später: Twitter wird von Elon Musk geführt. In einem merkwürdigen Verständnis von „freedom of speech“ und gleichzeitigem Kreuzzug gegen „woke“ Meinungen führt eine Maßnahme zur nächsten Regeländerung, um zwischenzeitliche Sperr- und Entsperraktionen mit angeblichen „vox populi“ zu rechtfertigen. Über das Diskursklima auf Twitter – was will man in 280 Zeichen auch konstruktiv diskutieren – brauchen wir hier nicht weiter zu sprechen. Long Story short²: Auch mein Twitter-Account ist inaktiv.

Parallel habe ich spät, aber immerhin im April/Mai 2022, das Fediverse und hier vornehmlich Mastodon entdeckt. Ich bin gerade seit den Twitter-Migrations-Effekten recht angetan von der Entwicklung dieses Netzwerks. Es fühlt sich gerade jetzt im Herbst/Winter 2022 ein wenig nach Aufbruch an. Das kann natürlich meine eigene Wahrnehmung sein. Aber ich finde es spannend, die Entwicklung der Plattform und insbesondere den dezentralen Ansatz des Fediverse an sich zu verfolgen. Konstruktive Debatten darum vermisse ich noch etwas, aber vielleicht kommt das mit offiziellen Accounts, die dort aktiv werden. Fragen nach möglichen Geschäftsmodellen, rechtlich konformer Moderation und der Balance zwischen Community-Charakter einzelner Instanzen und der Einbindung oder Abgrenzung zu anderen Instanzen halte ich auch abseits technischer Lösungen für interessant. Inzwischen ist – und das war beim Facebook/Twitter-Erstboom anders – bei entscheidenden Akteuren angekommen, dass digitale Kommunikationstools und Plattformen nicht irgendwelche Nischendinge sind, mit denen sich N3rds befassen.

Mit diesem Reiz des Neuen habe ich auch nochmal etwas mehr Motivation gefunden, meine eigene Seite aufzufrischen, den im Frühjahr begonnen Relaunch fortzusetzen, Aufbau und möglichen Content zu durchdenken und ältere Artikel – teilweise mehrere Jahre alt – wieder auszugraben. Das Ergebnis ist diese Seite.

Bei der Aufarbeitung alter Artikel und Themenideen sowie dem Schreiben von neuen Beiträgen, merke ich, wie sehr der halb-passive-Social-Media-Konsum die Durchdringung von Themen und vor allem die Ausformulierung von Gedankengängen beschränkt hat. Ich bin nun endlich wieder „gezwungen“, mich in Themen mehr einzulesen, Fachportale bewusster und effizient gestützt mit Tools zu lesen. Hier und da Quellen intensiver zu checken. Zahlen und Daten selbst nachzuvollziehen und – besonders reizvoll – mir zu überlegen, ob zu einem Thema nun schon alles gesagt wurde, oder vielleicht noch ein Aspekt, eine Perspektive oder ein Detail interessant sein kann. Der studierte Historiker in mir fühlt sich wieder in die Archivstube versetzt.

Natürlich freut man sich über Feedback und positive Resonanz. Gern auch perspektiv- oder positionsverändernde Hinweise. Diese sehr gern auf Mastodon oder auf dem klassischen Weg der Replik. Vielleicht entspannt sich ein konstruktiver Austausch und man irrt sich gemeinsam zu mehr Wissen?

Andere Plattformen (rechts oben verlinkt) nutze ich eigentlich nicht kommunikativ, sondern um neue Musik zu entdecken oder Freunde an Fotoschnappschüssen von meinen Reisen teilhaben zu lassen.

TLDR: Seite ist relaunched. 😉

Foto: © Ymgerman | Dreamstime.com