Seit Mitte November gehört Twitter Elon Musk. Kaum ein Tag vergeht, an dem der neue Besitzer nicht durch umstrittene Tweets, Umfragen, Sperr- und Entsperraktionen und ähnliches polarisiert. Längst ist Mastodon dadurch in die Berichterstattung eingegangen und wird einem breiterem Publikum bekannt. Für einige als Alternative zu Twitter wahrgenommen, findet ein Anwachsen der Accountzahlen und zugleich ein Anwachsen der Mastodon-Instanzen statt. Twitter-NutzerInnen erklären ihren Ausstieg und Wechsel oder das Anlegen eines parallel laufenden Accounts auf einer Mastodon-Instanz. Musk reagierte zuletzt darauf wenig souverän – und einmal mehr fragwürdig – indem auf Twitter die Verlinkung von Mastodon-Accounts nicht mehr möglich war. Inzwischen ist diese Regel wieder zurückgenommen. Was als nächstes kommt, weiß man aber nicht.
Gleichzeitig gibt es aber auch Personen, die in Presseartikeln, Blogbeiträgen, Newslettern, Podcasts und auf Social Media selbst Skepsis und kritische Vorbehalte zu Mastodon vorbringen. Sie nehmen dabei sowohl eine die Entwicklung der Social Media Kommunikation und Netzwerke beobachtende als auch eine beratende und bewertende Perspektive ein. Letzteres erfolgt meiner Wahrnehmung nach – der Natur der Sache gegeben – gern durch ExpertInnen für Social Media Kommunikation, insbesondere solche, die sich auf die öffentliche Hand spezialisiert haben. Schließlich gesellt sich noch eine Perspektive als AkteurIn selbst hinzu, insbesondere wenn KollegInnen des eigenen Fachs bspw. – JournalistInnen – Twitter verlassen.
Neben der stellenweise Polemik streifen diese Beiträge die gleichen Probleme, die sich auch mit anderen Plattformen verbinden. Fragen zu Content-Moderation und Machtstellung von Serverbetreibenden werden aufgeworfen. Beantwortet werden sie zugleich mit der Feststellung, ehrenamtlich betriebene Instanzen könnten all dies nicht leisten und daher – so raunt es zwischen den Zeilen – habe Mastodon bzw. die Idee des Fediverse auch keine Zukunft. Und ja natürlich, „Es knirscht an vielen Ecken, aber wirklich schlimmer als Twitter?“, wie Stefan Pfeiffer schon vor einigen Tagen schrieb. Was diesen Beitrag von anderen unterscheidet: hier werden mögliche (und wohl notwendige) Entwicklungen von Mastodon und dem Fediverse andiskutiert. Es stehen m.E. nämliche wesentliche Fragen an: beispielsweise wie eine Professionalisierung von dezentralen Kommunikationsdiensten von statten gehen kann. Welche Rolle mglw. Instanzen zu kommt, die durch die öffentliche Hand angeboten werden und schließlich auch, wie der Mehrwert von dezentralen Diensten besser erklärt werden kann. Diese Debatten werden kommen und sind vermutlich schon im Gang – dann aber eben ohne all jene, die momentan nur Bedenken (und Häme) formulieren. Das ist dann aber auch eine Form von Denkprovinzialität – geschuldet der destruktiven Twitterisierung des Themas.
TLDR:
Was mich an den kritischen Beiträgen zu Mastdon momentan fasziniert und gleichzeitig wundert, ist die Vehemez mit der ExpertInnen tatsächliche oder vermeintliche Argumente zu Problemen beim momentanen Upswing von Mastodon kommentieren. „Serverfürsten“ ist eine Vokabel, die dafür stellvertretend steht. Hier und da ist zudem eine gewisse Häme wahrnehmbar. Alle, die jetzt Twitter verließen, würden in wenigen Wochen/Monaten bald wieder zurückkommen. Womit sich die ExpertInnen aber meiner Wahrnehmung nach zu wenig befassen – oder es sogar strikt vermeiden: sich konstruktiv mit Fragen rund um dezentrale Kommunikationsnetzwerke wie Mastodon zu befassen. Destruktivität und Häme – kurz: die Twitterisierung einer eigentlich notwendigen Debatte zum Fediverse.
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